Brauen für mehr Biervielfalt

Von Reza Salimi-Asl

Eine Hausbrauerei im Keller. Erotische Bilder und selbstgebrautes Bier im Richelbräu. Wer möchte, kann im Haus von Günther Baumann zwischen Kunst und Politik beim Bierbrauen zuschauen – persönliche Verkostung inklusive.

Corbinian steht auf einer Leiter und schaut in den Kessel. Trüb ist die Flüssigkeit darin, oben schwimmt eine schaumige Krone. Der Sechsjährige riecht an dem Trank und rümpft die Nase. 13 Besucher sind zum Schaubrauen in den Keller in der Münchner Richelstraße hinabgestiegen. Jakl zeigt der Gruppe, wie man ein Helles herstellt. Das Brauwasser hat der 69-Jährige abgekocht und über Nacht abkühlen lassen, „weil das Münchner Wasser sehr kalkhaltig ist“, sagt der Mann im blauem T-Shirt, der nur mit Jakl angesprochen werden will.

Sudkessel im Keller

Bereits vor Jahren wurde der Keller im Haus von Günther Baumann umgebaut. Den Weg weist die Aufschrift über dem Eingangstor. In einem Raum des verwinkelten Kellers hängen nachgemalte Episoden aus Casanovas Memoiren an der Wand. Im kleinen Sudhaus stehen zwei Brauanlagen, die eine stößt 20 Liter aus, die Größere schafft 70 Liter Bier. In ihr köchelt das zukünftige CasaNova-Bier. Für den Historiker ist die Mini-Brauerei ein Ort der Kommunikation. „Ein Treffpunkt für Bierliebhaber um, über die Kunst des Brauens zu diskutieren“, sagt der 56-Jährige. Bis zu sechs verschiedene Malzsorten werden hier verwendet. „Je höher die Stammwürze, desto höher wird der Alkohol im Bier“, erfahren die Besucher, die zwischen Spülbecken und Schläuchen stehen, von dem Sohn eines Braumeisters aus der Nähe von Bamberg.

Blick in die Brautechnik

Jakl beim Läutern der Würze

Jakl (69) und Günther Baumann (56) im Sudhaus in der Richelstraße beim Läutern der Würze.

Brauer brauchen viel Zeit. Etwa acht Stunden dauert das Kochen der Maische und der Würze, es folgen Gärung und Lagerung. 12 Kilogramm Malz hat Jakl, Braumeister in Rente, in den großen Kessel geschüttet und das Wasser auf 65 Grad erhitzt. Ein Rührwerk sorgt dafür, dass im Bottich nichts anbrennt. Das war das „Einmaischen“, wie es in der Brauersprache heißt. „In den Großbrauereien“, sagt er, „da sieht man keine Würze mehr und das Bier verschwindet hinter Schaugläsern“. Über 40 Jahre arbeitete der gestandene Brauer „mit Leib und Seele“, wie er sagt, bei Augustiner und lernte fast alle Bereiche der Brauerei kennen. Seit sechs Monaten ist er in der Richelstraße. „Das Allerbeste ist, wenn die Leute beieinander hocken und sagen, das ist ein gutes Bier. “ Später wirft er in den siedenden Kessel noch den Hopfen aus der Hallertau. „60 Gramm Hopfen kommen auf 60 Liter“, erklärt er. Nach dem Kochen wird der Sud gekühlt und mit Hefe versetzt. Das ergibt etwa 60 Liter Bier, „natürlich unter Einhaltung des Reinheitsgebotes“, versichert Jakl, während er mit heißem Wasser den restlichen Malzzucker auswäscht. Am Ende gibt er den Besuchern noch einen praktischen Tipp: Ein Monat sei die ideale Aufbewahrungszeit für das Bier.

Bier mit Lokalbezug

CasaNova ist der Name des Biers und steht für Brauereichef Baumann nicht nur für den Gerstensaft, sondern auch für den Bezug zum Stadtteil Neuhausen. Übersetzt heißt  „casa nova“ so viel wie “Neues Haus”. Ein Hinweis auf den Brauereiort. Doch es gibt noch einen weiteren Grund. „Unser Bier enthält einen Schuss Erotik, deshalb haben wir es auch CasaNova genannt“. Verkaufen darf Baumann das unfiltrierte Bier nicht, sondern nur zum Verkosten anbieten. Gebraut wird im Richelbräu jeden zweiten und vierten Freitag im Monat. Fidele Damen, die sich hier von ihrem Junggesellinnen-Dasein  verabschieden, und potentielle Bierbrauer lassen sich das Selbstgebraute schmecken.

Brauen gegen das Einheitsbier

Hausbrauer wie Baumann sind vor allem unzufrieden mit dem Industriebier. Sie fürchten, dass sich der Geschmack der Sorten immer mehr annähert und wollen dem etwas entgegensetzen. Während er die Würze läutert sagt er: „Für die Hausbrauer ist die Biervielfalt entscheidend.“ Für viele Hobbybrauer ist es auch eine Art Lebensgefühl. „Sie wollen ausprobieren und sich überraschen lassen, was aus dem Sud wird“. Der Lohn dafür: man habe einen anderen Bezug zum Bier, wenn man weiß, wie es hergestellt wurde.

Auch die 13 Besucher lockt das gute Bier ins Richelbräu. Ein Helles darf der sechsjährige Corbinian noch nicht trinken, er bekommt eine Limonade. Was das Richelbräu-Bier von den anderen Bieren unterscheidet? Corbinians Vater Thomas Binder sagt: „Na, es schmeckt halt gut“.

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