Gerste, Hopfen und Wasser

Von Oliver Bartsch

Gerste, Hopfen und Wasser: Am 23. April 1516 trat der Bayerische Landständetag unter Vorsitz von Herzog Wilhelm IV. in Ingolstadt zusammen. Dieses Gremium billigte eine vom Herzog vorgelegte Vorschrift, dass zur Herstellung des Bieres nur diese Zutaten verwendet werden dürfen.

Diese heute bekannteste Fassung vom “Reinheitsgebot” ist nicht der erste Versuch gewesen, die Produktion des Grundnahrungsmittels Bier zu regeln, und es war auch nicht der letzte. Mit dem Reinheitsgebot verfolgte die Obrigkeit nicht nur das Ziel, die Versorgung der Bevölkerung mit Bier sicherzustellen, sondern es regelte auch die Lebensmittelversorgung: Der wertvollere Weizen oder Roggen blieb den Bäckern vorbehalten. Auch sollte das Reinheitsgebot den bayrischen Brauereien Wettbewerbsvorteile verschaffen, weil im Rheinland und in Norddeutschland zu dieser Zeit noch vorwiegend das Kraut Gagel beigemengt wurde, das in Bayern nicht wuchs.

Gerstenmalz und Hefe

Die Klarstellung, dass es sich um Gerstenmalz zu handeln habe, wurde später eingefügt. Von der Rolle der Hefe wusste man noch nichts. Später ist der Grundtext kontinuierlich in neueren Gesetzen fortgeschrieben worden, deren Wirkungsbreite sich immer weiter ausdehnte.
Das Bayerische Reinheitsgebot ging auch in die Reichsgesetzgebung nach 1871 ein. Die Brauer selbst waren es, die auf die gesetzliche Verankerung des Reinheitsgebotes auch außerhalb Bayerns großen Wert legten, da sich das bayerische echte Bier größter Beliebtheit erfreute. Nach und nach wurde das Gebot von anderen Staaten übernommen (Baden 1896, Württemberg 1900).
Die Gesetzgebung über die Bierbesteuerung oblag allein dem Reich. Als 1872 dann ein einheitliches Gesetz für das Reich erlassen wurde, wurden Bayern, Baden und Württemberg von dieser Regelung ausgenommen. Hier galt weiter das absolute Reinheitsgebot. Im übrigen Reich wurde auch die Verwendung von Stärkemehl, Zucker, Sirup und Reis als Rohstoffe für die Bierproduktion zugelassen.

Das Reichsgesetz

Erst durch das Reichsgesetz vom 7. Juni 1906 hielt das Reinheitsgebot auch in die Gesetzgebung der Norddeutschen Biersteuergemeinschaft Einzug. Als nach dem Ende des ersten Weltkrieges die Weimarer Republik gegründet wurde, machte Bayern sogar seine Zugehörigkeit zur Republik davon abhängig, dass das Reinheitsgebot weiterhin im gesamten Reichsgebiet gelte. Nach dem zweiten Weltkrieg schließlich wurde das Reinheitsgebot im Biersteuergesetz vom 14. März 1952 verankert.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Urkunde zum Reinheitsgebot

Wegen der damals oft schlechten Qualität der gebrauten Biere wurde 1516 das Deutsche Reinheitsgebot für Biere erlassen.

Es bedurfte erst des “Engagements” der Europäischen Union, um nach über 450-jähriger unveränderter Gültigkeit diesen ehernen Grundsatz der Bierproduktion für Bayern aufzuweichen. Nach einer über dreijährigen Auseinandersetzung fällte der Europäische Gerichtshof am 12. März 1987 sein „Reinheitsgebotsurteil”. Biere, die in anderen Mitgliedsländern der EU rechtmäßig hergestellt wurden, durften auch auf dem deutschen Markt vertrieben werden – unabhängig davon, ob sie entsprechend den strengen Vorschriften des Reinheitsgebotes hergestellt werden oder nicht. Einziges Zugeständnis: Bei Abweichungen vom Reinheitsgebot müssen alle fremden Stoffe im Zutatenverzeichnis deutlich erkennbar auf dem Etikett angegeben werden.

Die Zusatzstoffzulassungsverordnung

Die europäischen Harmonisierungsbemühungen über die Verwendungen von Zusatzstoffen in Lebensmitteln stellen einen weiteren Angriff auf das Reinheitsgebot dar. Seitens der EU-Kommission wurde eine Liste von Zusatzstoffen erstellt, die innerhalb der gesamten Gemeinschaft einheitlich bei der Herstellung von Lebensmitteln rechtmäßig zum Einsatz kommen dürfen – auch bei der Bierbereitung. Dazu gehören Konservierungsstoffe, Antioxidantien, Emulatoren, Farb- und Süßstoffe, Geschmacksverstärker und Verarbeitungshilfen wie Enzyme. Eine entsprechende Umsetzung erfolgte im Februar 1998 durch die “Zusatzstoffzulassungsverordnung”.