Geschichte des Bierbrauens in Bayern

Von Stephanie Gust

In Bayern ticken die Uhren bekanntlich anders. Statt vier Jahreszeiten gibt es im bayerischen Freistaat neben Frühling, Sommer, Herbst und Winter noch zwei zusätzliche – die Starkbier- und Oktoberfestzeit. Beide wären ohne Bier undenkbar.

Bayern ist auf der ganzen Welt für sein Bier bekannt. 637 Braustätten von insgesamt 1325 Brauereien in ganz Deutschland sind im bayerischen Freistaat zu Hause. Doch das war nicht immer so.

Bayern war noch vor dem Dreißigjährigen Krieg mehr Wein- als Bierland. Man baute im Süden statt Hopfen lieber Weinreben an. Stattdessen spielte die Biermusik in Norddeutschland. Dort bildete sich seit dem Mittelalter mit der Entwicklung der Städte eine erfolgreiche Zunft von Handelsbrauern heraus.

Klosterbrauereien begründen die deutsche Braukunst

Zuvor hatten sich vor allem die Mönche in der Braukunst hervorgetan. Vorläufer des Bieres gab es jedoch bereits, seitdem die Menschheit sesshaft geworden war. Erste schriftliche Überlieferungen über den Gerstensaft fand man auf Tontafeln der Sumerer. Sie sind auf das vierte Jahrtausend vor Christus datiert. Diese Getränke entstanden wahrscheinlich zufällig durch die Vergärung von Getreidebrei. Sie hatten allerdings nur eine entfernte Ähnlichkeit mit unserem heutigen Bier.

Den herben Geschmack des Bieres haben wir den Mönchen des Mittelalters zu verdanken, die sich kurz vor der Jahrtausendwende dem Brauen widmeten. Ihnen gelang es mit Hilfe des Hopfens, ein schmackhaftes Konservierungs- und Aromamittel zu finden, das sich bis heute bewährt hat. Vorher hatte man allerlei Kräuter, Wurzeln und zuweilen sogar Kohle und Kreide verwandt, um das Bier aromatischer und länger haltbar zu machen. Einige dieser Mittel, das Bilsenkraut zum Beispiel, sorgten für drogenähnliche Rauschzustände.

Ein wichtiger Meilenstein: das Reinheitsgebot

Um der allgemeinen Bierpantscherei Abhilfe zu schaffen, wurde 1516 das bis heute gültige Reinheitsgebot erlassen, das bald flächendeckend für ganz Bayern galt. Ab nun durfte ausgeschenktes Bier nur noch drei Zutaten enthalten: Hopfen, Malz und Wasser. Man erhoffte sich dadurch, nicht nur dem Verkauf von schlechtem Bier entgegenzuwirken, sondern auch die Qualität des bayerischen Bieres zu steigern.

Norddeutsche Konkurrenz

Denn besonders in Norddeutschland florierte der Bierhandel, der sich dort zu einem angesehenen Berufszweig mit einer eigenen Zunft entwickelt hatte. Bremen und Hamburg waren zwei berühmte Bierstädte, die ihr Gebräu nach England, Skandinavien und sogar bis nach Indien exportierten.
Auch der bayerische herzogliche Hof bezog sein Bier aus der damals berühmten Bierstadt Einbeck im Norden Deutschlands. Der Name des „ainpöckschen Bier“ wurde kurzerhand in das heute speziell für Bayern bekannte „Bock“-Bier umgetauft. Um die teuren Einfuhrkosten des Bockbieres zu sparen, ließ Herzog  Wilhelm V. von Bayern 1591 das Hofbräuhaus in München errichten. Ab 1610 stand das Hofbräu auch den Untertanen zur Verfügung und erfreute sich großer Beliebtheit.

Der Dreißigjährige Krieg sorgte für den Untergang der norddeutschne Dominanz. Die berühmten Brauereien im Norden waren nach Kriegsende fast alle vollständig zerstört, während in Bayern die Weinfelder dem Erdboden gleich gemacht wurden. Der Anbau von Weinreben war wesentlich zeitintensiver als der von Hopfen. Deswegen entschied man sich in Bayern für den Hopfenanbau und spezialisierte sich aufs Bier. So begann die Erfolgsgeschichte des bayerischen Bräus.

Das Hofbräuhaus in München

Auch heute noch ist das Hofbräuhaus am Münchner Platzl eine beliebte Touristenattraktion.

Industrialisierung: die Vervollkommnung des Bieres

Mit der Industrialisierung änderte sich auch der Brauprozess. Ab 1876 war es dank der Erfindung der Kühlmaschine von Carl von Linde möglich, Bier ganzjährig herzustellen, da man für den Gärprozess kühle Temperaturen benötigte. Louis Pasteur entdeckte 1873 die wichtige Rolle der Hefezellen bei der Gärung. Zehn Jahre später gelang es dem Dänen Christian Hansen, reine Hefen herzustellen. Die Bierproduktion war von nun an kein Zufallsprodukt mehr und es gelang, Bier von gleichbleibender Qualität und Geschmack herzustellen.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts gilt das Bier aus München weltweit als Delikatesse. Zu jener Zeit exportierten die Pschorr- und die Spatenbrauerei ihr Bier bis nach Amerika und Afrika. Selbst das englische Königshaus konnte sich dem Genuss des bayerischen Gerstensaft nicht entziehen. Die Loblieder von Kaiserin Sissi, Lenin, aber auch von den Amerikanern Thomas Wolfe und Leonard Bernstein machten München dank seines Bieres zu einer der bekanntesten Städte der Welt.