Verhextes Bier

Von Stephanie Gust

Bier besitzt einen natürlichen Feind: die Bierhexe. Diese Spezie, auch Brauhexe genannt, ist eine besondere Unterart der gemeinen Hexe. Angeblich verfügt sie über geheime Zauberkräfte, mit denen sie guten Hopfentrank in ungenießbaren verwandeln kann. Machte man eine dieser Damen ausfindig, verbrannte man sie anschließend oft auf dem Scheiterhaufen. Gelebt hat sie überwiegend in Deutschland während des Mittelalters.

Bierbrauen war seit Beginn seiner Geschichte Frauensache. Das Brauen zählte wie das Brotbacken zu den häuslichen Pflichten und oblag der Aufsicht der Hausfrauen. Schon in der Frühzeit, sprich zu Zeiten der Babylonier, war das Brauen für Frauen nicht gefahrlos. König Hamurabi erließ in dem ältesten unserer Menschheit bekannten Gesetzestext bereits ein Biergesetz: Brauerinnen, die schlechtes Bier ausschenkten, sollten ertränkt werden. Die Todesstrafe drohte auch, wenn sie bares Geld für ihre Braudienste annahmen.
Scheinbar fürchtete man schon damals den schlechten Einfluss der Frauen auf das Bier, denn so war es Priesterinnen verboten, Gasthäuser zu betreten oder Selbige zu gründen.

Bierkränzchen statt Kaffeekränzchen

Solange das Bierbrauen nicht als eigenes Gewerbe bestand, beschäftigten sich mehrheitlich die Frauen mit der Braukunst. Gelang einer Hausfrau im Mittelalter ein besonders gutes Bier, lud sie ihre Nachbarinnen zum Bierkränzchen ein. Ein weitaus lustigerer Vorläufer unseres heutigen Kaffeekränzchens. Die Mitgift einer Frau beinhaltete unter anderem oftmals einen Braukessel.

Die Professionalisierung des Bierbrauens und die damit einhergehende Kommerzialisierung begann, als sich die Mönche am Anfang der Jahrtausendwende auf das Brauen spezialisierten. Es verwundert nicht, dass die Männer, sobald sie das Brauen übernommen hatten, die Frauen für ihr schlechtes Bier verantwortlich machten.

Hexenverfolgung im Mittelalter

Die Hexenverfolgung zählt zu den düsteren Kapiteln des Mittelalters. Wie wichtig den Menschen damals ihr Bier war, lässt sich an der eigens dafür erfundenen Bierhexe ersehen. Da der Brau- und Gärungsprozess bis zur Neuzeit nicht erforscht war, passierte es oft, dass das Bier umkippte und sauer wurde. Man konnte sich die Gründe, weshalb das Bier einmal gut und einmal schlecht geriet, nicht erklären und machte die sogenannten Bierhexen dafür verantwortlich. Um sich vor dem schlechten Einfluss der Hexenkraft zu schützen, stellte man verschiedene Talismane um den Braukessel auf und veranstaltete allerlei Hokuspokus, um den Gerstensaft vor den Verwünschungen der Hexen zu bewahren.
Hinzu kam, dass oftmals Kräuter und andere Zutaten ins Bier gemischt wurden, um dessen Haltbarkeit und Geschmack zu verbessern. Manche Kräuter wie das Bilsenkraut sorgen für halluzinierende Zustände. Diese Drogentrips brachten das Bier zusätzlich in den Verruf, verhext zu sein.

Erst in der Neuzeit, als die Kühlmaschine zur Verwendung kam und der Gärungsprozess vollständig erklärt werden konnte, verabschiedete man sich endgültig von dem Aberglauben rund um das Bier. Offiziell wurde die letzte Bierhexe 1591 auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.

Bierdeckel mit Maria Richel

Maria Richel - Namenspatronin des Richelbräus

 

Maria Richel, Hexe und Namenspatronin des Richelbräus

Eine Hausbrauerei in München, das Richelbräu, hat zum Gedenken an diese düstere Zeit eine Hexe als Namenspatronin für ihre Brauerei auserkoren. Maria Richel, die Ehefrau des damaligen Kanzlers Dr. Bartholomäus Richel (1580-1649), wurde 1620 in Eichstätt als Hexe hingerichtet. Zwar wird in der Anklage nicht explizit von einer Bierhexe gesprochen, aber Maria Richel steht sinnbildlich für alle Frauen, die unter dem Vorwurf der Hexerei unnötig ihr Leben lassen mussten. Ihr Bildnis, eine lebenslustige Frau, die statt auf einem Besen auf einem Bierfass reitet, ziert das Wappen der Brauerei. Ihr ist ein eigenes Bier gewidmet, das Starkbier namens „Richelator“.